Drapieren als Manifest: Rick Owens im Palais Galliera und die neue Generation der Schnittkunst

Paris, Sommer 2025. Das Palais Galliera widmet dem amerikanischen Designer Rick Owens eine monumentale Retrospektive: „Rick Owens, Temple of Love” läuft bis zum 4. Januar 2026 und präsentiert über hundert Silhouetten, Archive und Kunstwerke aus drei Jahrzehnten kompromissloser Mode. Owens, der seit 2003 seine Kollektionen auf der Pariser Fashion Week zeigt, nutzt die Ausstellung, um sein Universum zwischen Brutalismus, Minimalismus und postapokalyptischer Eleganz zu entfalten (Harper’s Bazaar).

Rick Owens: Drapieren als radikale Geste

Rick Owens hat das Drapieren zu seiner künstlerischen Handschrift gemacht. Seine Methode ist direkt und intuitiv: Der Stoff wird am Körper geführt, gefaltet, geschnitten – oft ohne klassische Zeichnung (Sortir à Paris). Bereits seit seinen Anfängen in Los Angeles in den 1990er Jahren arbeitete Owens wie ein Architekt, der den Schnitt als Mittel der Formfindung und des Ausdrucks begreift. Die Ausstellung zeigt, wie Owens aus Stoffen Skulpturen schafft, die den Körper schützen und zugleich exponieren. Seine Kreationen, häufig in dunklen Tönen und mit architektonischen Linien, sind eine bewusste Abkehr von der glatten Mode der Gegenwart – ein ästhetischer Widerstand, der eine treue Community um sich schart (Le Monde).

Für uns ist Rick Owens seit jeher einer der herausragendsten und eigenständigsten Designer – nicht nur wegen seiner experimentellen Formen, die durch den beschriebenen, intuitiven Drapierprozess entstehen können, sondern auch, weil er einer der wenigen ist, die ihrem Stil über Jahrzehnte hinweg kompromisslos treu geblieben sind. Seine Entwürfe sind direkt, markant und konsequent – eine Haltung, die weit über reine Ästhetik hinausgeht und seine Arbeit zu einem echten Statement macht.

Die Ausstellung überschreitet die Grenzen des Museums: Skulpturen aus Zement im Garten, bestickte Stoffe an der Fassade und florale Installationen, die Owens’ kalifornische Wurzeln zitieren, machen das Palais Galliera zum begehbaren Manifest. Die erste Halle erinnert an eine Kapelle, in der die Anfänge von Owens’ Karriere in Los Angeles inszeniert werden – mit Kleidungsstücken aus Secondhand-Stoffen und Militärstoffüberschuss, die durch präzise Schnitte und Drapierungen veredelt werden (Journal du Luxe).

Rick Owens Exhibition Image 1
Rick Owens Exhibition Image 2

Schnitttechnik als Haltung

Owens’ Ansatz, den Schnitt als künstlerischen Akt zu begreifen und nicht als rein technische Notwendigkeit, inspiriert eine neue Generation von Designern. Sein Verzicht auf traditionelle Skizzen und das unmittelbare Arbeiten am Stoff sind zum Vorbild für junge Labels geworden, die nach Authentizität und Ausdruck suchen.

Lernen, wie Owens denkt: Drapieren und Schnittkonstruktion online lernen

Gerade weil Owens das Drapieren als direkten Ausdruck begreift, wächst das Interesse, diese Techniken auch selbst zu meistern. Immer mehr junge Designer*innen und Modebegeisterte suchen nach Wegen, Drapieren online zu lernen und sich unabhängig vom klassischen Modestudium weiterzuentwickeln.

Bei Ellu Studios bieten wir einen Drapierkurs online, der sich genau diesem intuitiven Arbeiten am Körper widmet. Von den Grundlagen bis hin zu experimentellen Drapierungen, vermitteln die Kurse einen praxisnahen, künstlerischen Zugang, der auch für Anfänger zugänglich ist.

Wer darüber hinaus seine Schnitte selbst entwickeln möchte, kann mit unserem Online-Kurs für Schnittkonstruktion lernen, wie man experimentelle und klassische Schnittformen konstruiert. Hier geht es nicht nur um technische Perfektion, sondern vor allem darum, Mode als persönliche Sprache zu verstehen.

Mit diesen Kursen kannst du unabhängig von Ort und Vorbildung deine eigene kreative Handschrift entwickeln — genau so radikal, direkt und individuell, wie es Rick Owens in seiner Arbeit verkörpert.

Junge Avantgarde im Vergleich: Hed Mayner und Jacquemus

Ein spannendes Beispiel für diese Weiterentwicklung ist der Designer Hed Mayner. Mayner, der regelmäßig auf der Pariser Fashion Week präsentiert, ist bekannt für seine experimentellen, oft oversized Drapierungen und eine Schnittführung, die traditionelle Männermode dekonstruiert. Auch er arbeitet bevorzugt direkt am Stoff und entwickelt seine Silhouetten durch intuitive Drapierung und architektonische Faltenlegung. Seine Kollektionen verbinden Nahost-Handwerk mit Pariser Avantgarde und setzen auf Volumen, Reduktion und eine subtile Genderfluidität.

Im Kontrast dazu steht Jacquemus, das Label von Simon Porte Jacquemus, das auf der Pariser Fashion Week 2025 erneut mit Leichtigkeit, mediterraner Inspiration und modernen Drapierungstechniken überzeugte. Jacquemus interpretiert Drapierung weniger als architektonische Skulptur, sondern als sinnliches Spiel mit Bewegung, Transparenz und sommerlicher Nonchalance. Fließende Stoffe, raffinierte Wickeltechniken und asymmetrische Schnitte schaffen eine neue, zugängliche Eleganz, die sich deutlich von der düsteren Monumentalität Owens’ unterscheidet.

Während Owens mit „Temple of Love” in Paris sein Erbe als radikaler Individualist feiert, zeigen Hed Mayner und Jacquemus, wie die Sprache des Drapierens und der experimentellen Schnittführung in einer neuen, globalen Generation von Designern weiterlebt und sich transformiert. Mayner setzt auf Volumen und Dekonstruktion, Jacquemus auf Leichtigkeit und moderne Weiblichkeit – beide entwickeln das Drapieren weiter, aber mit ganz eigenem Tonfall.

Alle eint der Anspruch, mit Mode nicht nur zu kleiden, sondern zu kommunizieren – über Körper, Stoff und Form hinaus.